Entschädigungsakten der Bezirksregierungen
Zeitraum: 1953 – heute
Ämter: Ämter für Wiedergutmachung, Landesrentenbehörde,
Entschädigungsdezernate der Bezirksregierungen, Entschädigungskammern der Landgerichte
Inhalt: Verfolgte oder deren Rechtsnachfolger*innen / Verfolgungsgeschichte
Schutzfrist: Personenbezogenes Schriftgut, 10 Jahre nach dem Tod oder 100 Jahre nach der Geburt der betroffenen Personen, falls unbekannt 60 Jahre nach Entstehung der Akte (§ 7, Abs. 1 Archivgesetz NRW(↗))
Durch das nationalsozialistische Regime aus „rassischen“, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgte Personen konnten finanzielle und individuelle Entschädigung von der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Während bei den Rückerstattungsakten (Ämter für gesperrte Vermögen; Rückerstattungsakten der Landgerichte) die materiellen Entzugskontexte thematisiert werden, stehen im Fokus der Entschädigungsakten eher immaterielle Schäden. Ansprüche konnten durch Schäden an Leben, Körper oder Gesundheit, Freiheit sowie an Eigentum und Vermögen oder im beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen entstanden sein. Schäden an Leib, Leben, Körper und Gesundheit konnten, wenn der Verfolgte bereits verstorben war, auch durch Erben geltend gemacht werden, weswegen dies bei einer Recherche nach eventuell vorhandenen Akten zu beachten ist.
Da es sich um ein formelles Verfahren handelte, sind die Akten zwar strukturell ähnlich aufgebaut, jedoch zeichnen sich die Inhalte insgesamt durch eine relativ starke Individualität aus. Dies lässt sich auf die unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen der Schadenstatbestände zurückführen, die von den Antragstellenden angeführt und nachgewiesen werden mussten. Dabei fällt die Möglichkeit der Ausführungen z.B. durch evtl. noch aus der Verfolgungszeit vorhandenen Dokumenten oder Zeugen und somit konkret auch die Ausführlichkeit und die Inhalte der Akten – je nach vorhandenen Unterlagen – unterschiedlich aus.
NRW war das einzige Bundesland, welches für die Bearbeitung der Entschädigungsfälle einen mehrstufigen Verwaltungsaufbau wählte. Auf Kreisebene wurden Ämter für Wiedergutmachung geschaffen, die als „Anmelde- und Ermittlungsbehörden“ fungierten. Diese legten die Unterlagen zur Entscheidung der nächsthöheren Instanz, den Dezernaten für Wiedergutmachung bei den Regierungen, vor, welche nun federführend die Bearbeitung der Entschädigungsanträge in NRW bearbeiteten. Gegen den Entschädigungsbescheid der Regierungen konnte bei den Entschädigungskammern der zuständigen Landgerichte Klage eingereicht werden. Ab 1958 wurde als weitere Entschädigungsbehörde die Landesrentenbehörde errichtet, die für die Entscheidungen über Rentenzahlungen an Hinterbliebene von NS-Opfern und an gesundheitlich geschädigte Verfolgte zuständig war.
Weiterführende Informationen
Cordula Becker, Entschädigungsakten der Bezirksregierungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG), in: Unbekannte Quellen: „Massenakten“ des 20. Jahrhunderts. Untersuchungen seriellen Schriftguts aus normierten Verwaltungsverfahren, Band 4, im Auftrag des Landesarchivs hrsg. von Jens Heckl (Veröffentlichungen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen 75), Düsseldorf 2019.
Themenportal Wiedergutmachung
Für ein Projekt zur Erschließung, Digitalisierung und Nutzbarmachung von Entschädigungsakten werden dem Landesarchiv NRW nun Mittel von Seiten des Bundesfinanzministeriums bereitgestellt. In den nächsten 3,5 Jahren sind dafür drei Teilprojekte geplant.
In einem ersten Schritt soll es eine landesweite Erhebung der relevanten Unterlagen geben. Dabei soll ein sachthematisches Inventar entstehen, in dem außer den Beständen des Landesarchivs auch Informationen von Kommunalarchiven und anderen Forschungsstellen aufgelistet sind.
Im Rahmen des zweiten Teilprojekts wird dann der Bestand BR 3007 (Bezirksregierung Aachen) vollständig digitalisiert. Anschließend folgt die Erschließung nach einem Metadatenstandard und die Onlinestellung in das Themenportal Wiedergutmachung.
Das dritte Teilprojekt widmet sich der Erfassung der wichtigsten unerschlossenen Bestände zur Wiedergutmachung (BR 3001 und BR 3002 - Entschädigungs- und Entschädigungsrentenakten der Bezirksregierungen in Aachen, Düsseldorf und Köln sowie der Landesrentenbehörde NRW). Dies soll die Basis für eine spätere Tiefenerschließung und Digitalisierung bilden.
Erste Informationen zu den Beständen finden Sie über die Suche in der Abteilung Rheinland:
Schilderungen und Nachweise über das Verfolgungsschicksal
Schilderungen des Verfolgungsschicksals und der erlittenen Schäden des Betroffenen, sowie Nachweise zum Verfolgungsschicksal und zu den erlittenen Schäden (z.B. eidesstattliche Versicherungen, Belege der Vermögenssituation, ärztliche Gutachten, Nachweise der Auswanderung, Personenstandsurkunden, Belege (bzw. Kopien) aus der Verfolgungszeit)