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Geschichte im Schaufenster

An dieser Stelle veröffentlicht das Landesarchiv besondere Highlights aus seinen umfangreichen Beständen. Im Fokus stehen Stücke, die Aufschluss geben sollen über die Geschichte in Daten, Zahlen und Fakten, aber auch über das ganz alltägliche Leben der vergangenen Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte im Rheinland, in Westfalen und in Ostwestfalen-Lippe. Alle präsentierten Archivalien werden erklärt und in den Kontext ihrer Zeit eingeordnet. Die Stücke kommen aus allen drei Regionalabteilungen.

Rechtsprechung unter Obdach (Archivale des Monats von LAVNRW W)

Speziell und eigens für die Rechtsprechung errichtete Gebäude kamen in Deutschland erst in den 1830er Jahren zunächst im Rheinland auf. Zuvor verfügten Gerichte, sofern sie nicht wie die Femegerichte unter freiem Himmel tagten (vgl. Archivale des Monats April), lediglich über Räume innerhalb öffentl...

Speziell und eigens für die Rechtsprechung errichtete Gebäude kamen in Deutschland erst in den 1830er Jahren zunächst im Rheinland auf. Zuvor verfügten Gerichte, sofern sie nicht wie die Femegerichte unter freiem Himmel tagten (vgl. Archivale des Monats April), lediglich über Räume innerhalb öffentlicher Bauten, die primär anderen Zwecken dienten, etwa in Rats- oder auch Wirtshäusern. 

Grundriss und Ansicht aus dem Jahr 1777 zeigen ein Gebäude in Imbshausen im heutigen niedersächsischen Landkreis Northeim, das Brauhaus und Backstube auf der ersten Etage mit Gerichtsstube (Nr. 6) und zugehörigen Räumen im zweiten Stock kombiniert – eine Gefängniszelle allerdings auf der ersten Ebene unterbringt.

Mit der Medaille würdigte 1979 das Amtsgericht Dorsten seine Begründung durch die 100 Jahre zuvor erfolgte Verlegung des Kreisgerichts von Recklinghausen nach Dorsten. Die zentral gezeigte Justitia fungierte in der römischen Mythologie als Göttin der Gerechtigkeit, die eine Waage als Symbol für das Austarieren von Recht und Unrecht sowie ein Schwert als Strafandrohung bei Gesetzesverstößen in Händen hält.

LAVNRW W, W 051/Kartensammlung A ,Nr. 22081 und W 651/Sammlung 3D-Objekte, Nr. 23.

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Geschichte im Schaufenster - Juli 2025: Verbindungen zwischen Kleve und England

Heinrich VIII. ist unter anderem dafür bekannt und berüchtigt, dass er im Laufe seines Lebens mit sechs Frauen verheiratet war. Zu ihnen gehörte Anna von Kleve. Da das Landesarchiv NRW Unterlagen der ...

Heinrich VIII. ist unter anderem dafür bekannt und berüchtigt, dass er im Laufe seines Lebens mit sechs Frauen verheiratet war. Zu ihnen gehörte Anna von Kleve. Da das Landesarchiv NRW Unterlagen der Vorgängerstaaten Nordrhein-Westfalens verwahrt, findet sich hier die Ratifizierung des Ehevertrages zwischen Heinrich VIII. und Anna von Kleve.

Eingefädelt wurde die Ehe durch Heinrichs engen Berater Thomas Cromwell und Annas Bruder, Wilhelm V. von Kleve, Herzog von Jülich-Kleve-Berg und Graf von der Mark und Ravensberg. Letzerer übernahm 1539 die Regierungsgeschäfte und machte sich auf die Suche nach Bündnispartnern in Europa. Hintergrund war Wilhelms Annäherung an den Protestantismus, die ungeklärte Herrschaft über das Herzogtum Geldern und der damit einhergehende Konflikt mit dem Kaiser. Auch das englische Königshaus wollte sich gegen Kaiser Karl V. sichern.

Schon vor der Trauung war Heinrich VIII. sehr enttäuscht von seiner Braut. Ihr Porträt, welches Heinrich im Voraus erhalten hatte, zeigte Anna von Kleve eher in einem schmeichelhaften Licht. Vor Ort in England fiel sie durch ihre unzureichende Kenntnis der Kultur am englischen Hof negativ auf. Im Lesen, Schreiben, Singen und Spielen eines Instruments war sie nicht in dem Umfang unterrichtet worden, wie es bei ihren Vorgängerinnen der Fall war.

Es überrascht nicht, dass bereits Mitte 1540 die Auflösung der Ehe folgte. Dieser stimmte Anna von Kleve zu, vielleicht auch, weil sie Sorge vor den Repressionen Heinrichs hatte. Heinrich VIII. heiratete kurz darauf Catherine Howard. Anna von Kleve blieb zeitlebens in England und konnte mit einer großzügigen Abfindung Heinrichs ein bequemes Leben auf dem englischen Land führen. Sie war die erste deutsche Königin in England.

Übrigens: Die Urkunde, mit dem der Zusammenschluss der Herzogtümer Jülich-Berg und Kleve-Mark beschlossen wurden, liegt ebenfalls bei uns im Archiv! Mehr dazu haben wir in unserem Beitrag zur Kinderverlobung im Mai erzählt.

LAV NRW R, AA 0052 Kleve-Mark, Urkunden Nr. 2892

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Pferdestricker gesucht!

Zahlreiche Akten aus dem Bestand AA 0250 Essen, Stift, Akten befanden sich auf dem Kahn „Main 68“, als dieser gegen Ende des Zweiten Weltkriegs unterging – so auch die vorliegende Akte Nr. 845, die sich mit dem sogenannten Oberpferdestrickeramt beschäftigt. Dieses Amt wurde in der Regel mit einem Be...

Zahlreiche Akten aus dem Bestand AA 0250 Essen, Stift, Akten befanden sich auf dem Kahn „Main 68“, als dieser gegen Ende des Zweiten Weltkriegs unterging – so auch die vorliegende Akte Nr. 845, die sich mit dem sogenannten Oberpferdestrickeramt beschäftigt. Dieses Amt wurde in der Regel mit einem Beamten der Essener Fürstäbtissin besetzt. Hauptaufgabe war das Eintreiben wilder Pferde in den Essener Marken. „Gestütberechtigte“ hatten dort das sogenannte Wildbahnrecht, das ihnen erlaubte, wilde Pferde zu halten.

Der Bedarf an diesem eher ungewöhnlichen Amt lässt sich mit der großen Anzahl von Wildpferden im Raum Essen erklären. Die Pferde sorgten regelmäßig für Ungemach in der Borbecker und Viehofer Mark, da sie sich überall ungehindert ausbreiteten. Dieser Umstand machte den Einsatz eines Pferdestrickers erforderlich. Der Erstbeleg des „peerdestrykkers“ stammt aus dem 14. Jahrhundert.

Die Akte aus den Jahren 1772-1788 behandelt u.a. die Besetzung des Oberpferdestrickeramts für die Gebiete der Borbecker und Viehofer Mark. Die Ritterbürtigen und Beerbten der Borbecker Mark schildern dort in einem Schreiben an die (letzte) Essener Fürstäbtissin Maria Kunigunde von Sachsen (1776-1802) ein wachsendes Problem.

Sie berichten davon, dass die Marken mittlerweile mit „fremden unberechtigten Pferden, Horn- und sonstigem Vieh […] überströhmet worden.“ Zusätzlich zeigen sich die Beerbten verärgert über die Stadt Essen, die in der Viehofer Mark Wildpferde eintreibt und mit dem Stadtwappen brandmarkt; die Stadt habe nicht das Recht, dort „wilde Pferde zu ziehen.“ Daher bitten sie die Fürstäbtissin, „das Oberstrickeramt einem tüchtigen Subjecto […] zu conferieren“. Dieser solle „sofort die wilde ohnberechtigte Pferde und sonstiges Vieh auftreiben lassen und die Marken davon reinigen.“

Die Fürstäbtissin fordert daraufhin zunächst ihre Regierungskanzlei dazu auf, einige Fragen zu dem Oberstrickerpferdeamt und den angeblichen Problemen mit der Stadt Essen zu beantworten (unser Bild: AA 0250 Essen, Stift, Akten, Nr. 845, fol. 17r).

Der darauffolgende Bericht der Regierungskanzlei an die Fürstäbtissin vom 12. Oktober 1778 relativiert zunächst die Anschuldigungen der Beerbten gegenüber der Stadt Essen: Solange das Oberpferdestrickeramt für die Borbecker und Viehofer Marken nicht besetzt sei, könne nichts dagegen unternommen werden, dass die Stadt in diesen Gebieten wilde Pferde eintreibe und mit dem Stadtwappen brandmarke.

Es folgt ein Rückblick auf die ehemaligen Inhaber des Oberpferdestrickeramtes. Erwähnt wird dabei „der alte Marschall Dobbe“, der die Aufgaben noch unentgeltlich ausgeübt hat. Nach seiner Zeit fehlte ein Nachfolger für das Amt, da sich „niemand zu dessen Verwaltung anschicken“ wollte. Daraufhin sind die Beerbten tätig geworden und haben die Regierung darum gebeten, einem „Hauptmann Sterzenbach“ die Aufgaben zu übertragen und ihn dafür zu entlohnen. Sein jährliches Gehalt betrug 50 Reichstaler, das teils aus der Borbecker und teils aus der Viehofer Mark bestritten wurden. Aus dem Bericht geht allerdings hervor, dass die Amtszeit Sterzenbachs vor Regierungsantritt der Fürstäbtissin, also vor 1776, geendet hat. Seit mindestens zwei Jahren ist also niemand für die Aufgaben des Pferdestrickers zuständig. Das erklärt wohl, wie sich die zahlreichen Wildpferde überall ungehindert ausbreiten konnten und nun ein so dringliches Problem darstellten.

Daher bleibt die Frage, wem das Amt nun übertragen werden kann. Es gibt bereits einen Vorschlag der Regierungskanzlei: Clemens Freiherr von Vittinghoff genannt Schell. Er ist ein Beerbter der Borbecker Mark und zählt zu den Unterzeichnern des Bittschreibens an die Äbtissin. Da er allerdings in Münster weilt, kann er erst nach seiner Rückkehr zustimmen. Auf einer Konferenz mit der Regierungskanzlei wird der Vorschlag angenommen. Des Weiteren einigt man sich auf seine Entlohnung, wobei man sich am Gehalt des Hauptmanns Sterzenbach orientiert zu haben scheint: Dem Freiherrn von Vittinghoff sollen für die Ausübung dieses Amtes jährlich 50 Reichstaler gezahlt werden. Übrigens: In der freiherrlichen Familie verblieb das „Erb-Ober-Stricker-Amt“ noch bis zur Aufhebung der Viehofer Mark im Jahre 1831.

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