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Rechtsprechung unterm Lindenbaum

Archivale des Monats März
Monday, 31. March 2025 - 09:53

Rechtsprechung unterm Lindenbaum

Die Justiz im deutschen Spätmittelalter war gekennzeichnet durch eine Vielzahl konkurrierender Gerichte, deren geographische und inhaltliche Zuständigkeiten kaum eindeutig voneinander abgegrenzt waren. Im 13. Jahrhundert bildeten sich besonders in Westfalen so genannte Femegerichte, die unter Vorsitz eines Freigrafen mit sieben Freischöffen zumeist unter freiem Himmel über schwere Delikte wie Mord, Raub, Brandstiftung u.ä. verhandelten und die im Schuldfalle ohne Berufungsmöglichkeit verhängten Todesurteile sofort vollstreckten bzw. abwesende Angeklagte „verfemten“. Da zudem die Prozesse am Freistuhl teilweise geheim stattfanden, gerieten die Femegerichte in späterer Zeit in zweifelhaften Ruf und wurden von der Romantik des 19. Jahrhunderts literarisch mystifiziert.

Offenbar vor diesem Hintergrund entstand um 1830 die Zeichnung des Dortmunder Freistuhls, der in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu den wichtigsten Femegerichten im Reich gehörte. Das Ensemble aus Steintisch und Linde, die nicht nur als Schattenspender fungierte, sondern symbolisch auch die Tradition der älteren Freigerichte fortsetzte, befand sich bis 1910 direkt neben dem Bahnhof, wurde dann an den Königswall verlegt und im Zweiten Weltkrieg zerstört.

LAV NRW W, W 051/Kartensammlung A, Nr. 6493 und V 602/Sammlung Brau und Brunnen Dortmund (Dep.), Nr. 37.